GERALD FLEISCHHACKER

 

Zusammen schreibt man immer alleine!

Von der Arbeit im Humorkollektiv

 

Seit ich in irgendeiner Art und Weise in diesem eigenartigen Metier arbeite, liebe ich es, mit anderen gemeinsam an neuen Dingen zu werken. Das war in den Anfängen, vor knapp 30 Jahren, beim Radio ebenso der Fall, wie ganz aktuell bei diversen TV-Formaten wie „Bist Du Deppert!“ auf PULS 4, dem „Außendienst“ mit Gery Seidl oder unserem satirischen Jahresrückblick „Schluss mit lustig ...!“ im ORF.

Gemeinsame Arbeit bedeutet dabei aber nicht unbedingt, gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und sich neue Dinge zu überlegen. Diese Art und Weise gibt es natürlich auch. Besonders beliebt ist diese Form in sogenannten „Writers Rooms“. Einer Art Fließband-Fabrik für Serienautor*innen, die vor allem in den großen amerikanischen Produktionen gerne eingesetzt wird.

Da geht es um Sitcoms wie „Friends“, „How I Met Your Mother!“, Serien wie „Grey’s Anatomy“ oder „Among Us“, Comedy Klassiker wie „Saturday Night Live“, oder hoch gelobte Late Night Shows von Jimmy Kimmel, Stephen Colbert, Jimmy Fallon oder Trevor Noah. Hier sitzen tatsächlich nerdige Gag-Autoren*innen oder Szenen-Schreiber*innen in einem Boot Camp für Gags und Storylines. Mit Abgabeterminen und einer Auswahl der Besten.
Hier sind die Bullshitbingo-Zutaten der Autor*innenschaft entstanden. „Kill your darlings“, „The first is the worst“ etc. Nur die besten Gags schaffen es schlussendlich auf den Schirm, in die Show, in den Plot und wenn deine zu selten dabei sind, dann bist du weg. Klarerweise gibt es dann den/die Eine*n, der/die entscheidet, welcher Gag wirklich gut war. Frustration vorprogrammiert.

So läuft das bei uns in der heimischen Kabarett- und TV-Landschaft nicht. Zumindest nicht aus meiner Erfahrung heraus. Dafür gibt es mehrere Gründe. Der Hauptgrund – das liebe Geld. Ja! Autor*in ist eine Leidenschaft, ein Hobby, eine Liebelei, aber auch ein Job und ein Beruf. Und von Berufen sollte man irgendwann einmal leben können. Da die heimischen Produktionsbudgets sich nicht in unendlichen Höhen befinden, ist es fast nicht möglich, von einem einzigen Autor*innenjob ein vernünftiges Leben bestreiten zu können.

Ich möchte an dieser Stelle vorausschicken, dass ich mich in meinen hier festgehaltenen Gedanken hauptsächlich mit der professionellen, also beruflichen Seite des Schreibens beschäftigen möchte. Das klingt dann vielleicht teilweise etwas technisch und kühl und nicht so nach „Go for your dream!“. Es ist aber eine nach bestem Wissen und Gewissen recht realistische Betrachtung des Berufs Autor*in im Medien- oder Bühnen-Bereich.
Podcasts übrigens mitgemeint. Die fallen derzeit zwar noch nicht in den Bereich, in dem viele Autor*innen beschäftigt sind, weil Podcasts ja in ihrem ursprünglichen Sinn eher eine sehr persönliche Sache sind, aber das wird schon noch. Denn überall wo am Ende Geld verdient werden kann, werden auch professionelle Autor*innen gebraucht. Und Jobs oder Aufträge brauchen wir ohnehin einige. (Siehe oben).

Ziemlich alle Kolleg*innen, die ich kenne, sind auf mehreren Baustellen beschäftigt. Bei unterschiedlichen Polieren, für unterschiedliche Bauherren. Was ja nichts an der Akribie ändert, mit der man an die Sache herangeht. Die Gebrüder Moped schreiben für „Willkommen Österreich“ ebenso wie für den „Jahresrückblick“ oder das Solo-Debüt von Patricia Wunderl. Antonia Stabinger ist als „Zudeckerin“ bei FM4 ebenso aktiv wie als Teil von Flüsterzweieck oder als Autorin diverser Humorformate im TV.

Wie aber funktioniert diese Arbeit im Kollektiv. Mit Hilfe moderner Elektronika sehr vernetzt und in letzter Konsequenz allein und einsam für sich alleine. Zumindest ist das meine Arbeitsweise, die sich als sehr brauchbar erwiesen hat. Natürlich braucht es den persönlichen Kontakt, das klassisch kitschige Kaffeehaus in dem man sich mit der Kolleg*innenschaft trifft und Jour Fixe ausmacht.
(... da es sich hier ja um einen Text für das Österreichische Kabarettarchiv handelt, möchte ich an dieser Stelle anführen, dass wir uns bei der Erstellung dieses Textes im Frühjahr 2021 befinden, in dem die Covid-Pandemie das geliebte „Schreiben im Kaffeehaus“ ja verunmöglicht hat.)
Hier werden Themen besprochen, Set Ups hin- und her gewälzt und Aufgaben verteilt. Die wirkliche Arbeit aber findet dann alleine statt. Das Schreiben, das Ausformulieren, das Herumtüfteln an Pointen und Wordings. Ich kann das zumindest nicht gemeinsam tun und ich kenne auch niemanden, der das macht. Als meist genutztes Tool hat sich mittlerweile Google Drive etabliert. Gemeinsame Arbeit an ein und demselben Dokument. Jeder bekommt eine Farbe und schreibt hinein. Man kann sich Nachrichten schicken, Dinge markieren und ist immer am aktuellen Stand! Große Empfehlung!

Was braucht es um erfolgreich zu sein? Humor? Klar! Einfühlungsvermögen, um zu wissen wie andere denken? Klar! Aber etwas steht ganz oben auf der Liste: Egal in welcher Position der Autor*innen-Hierarchie man sich befindet – kleine Schreiber*in oder Headwriter*in –: Es ist die Entspanntheit dem eigenen Humor gegenüber.
Als Autor*in muss es dir egal sein, wenn jemand (wie ich im Fall der Fälle) einen Sketch, eine Pointe, eine Szene nimmt und umdreht oder mit einer anderen Idee zusammenbringt, die damit überhaupt nix zu tun hatte oder für dich so gar nicht funktioniert. Es ist der Job der Autor*innen, Material zu liefern und der Job der Gestalter*innen, daraus eine Sendung, ein Programm, eine Show zu machen. Wehleidigkeit und übertriebener Kampf um die eine wichtige Pointe haben da keinen Platz.

Was nicht bedeuten soll, dass man für seine Ideen nicht kämpfen soll und muss. Unbedingt, aber immer mit Maß und Ziel. Vor allem gibt es ja für uns alle auch die eine große und fantastische Möglichkeit: Das eigene Ding. Hier können wir dann genau das machen, was wir immer schon machen wollten. Jene Gags machen, die man selber will – ohne sich was dreinreden zu lassen. Es sei denn, man hat eine Co-Autor*in, die mitredet oder eine Regisseur*in, die auch noch eine Meinung hat – ach Gott: es hört nie auf.

Was mich wieder zum unangenehmen Teil des Berufs bringt. Der Bezahlung. Fast alle Kolleg*innen machen da eine ähnliche Entwicklung durch. Am Beginn ist man extrem euphorisch und möchte einfach nur irgendwo dabei sein. Egal ob und wie viel man dafür bekommt. Hey, 50,- Euro für einen One Liner? Cool!

Das sind meist die Zeiten in denen man noch in einer WG wohnt oder von zu Hause aus seine Gags abliefert. Irgendwann kommen dann aber so Dinge wie eine eigene Wohnung, eine Familie oder Kinder und plötzlich ist es nicht mehr so super, wenn nur die Gags bezahlt werden, die auch „genommen“ wurden. Dann ist man ungefähr da angekommen, wo die meisten aus der Branche nach ein paar Jahren sind.

Man arbeitet auf Pauschale. Natürlich meist nicht angestellt, aber zumindest mit einem Fixum. Was gut ist, weil sich unterschiedliche Gags ja auch zu unterschiedlichen Endergebnissen entwickeln. Das Endergebnis zählt und nicht, wer die erste zündende Idee dafür hatte. (Bei „Echt fett!“ war das oft eine heftige Diskussion. Da wurde pro Gag bezahlt, aber aufgeteilt auf: wer hatte die Grundidee und was wurde daraus. Eine unfassbar nervenaufreibende Arbeit für Regisseur und Head-Autor Oliver Baier damals.)

Das möchte ich zum Schluss noch gerne unterstreichen. Autor*in sein ist ein Geschenk. Es ist etwas Besonderes. Etwas das nicht alle können und das soll, darf und muss auch etwas wert sein. Und ja, am Ende sind es vielleicht nur 5 Minuten, die ein Sketch dauert, aber wenn der davon handelt, dass einer einen toten Papagei zurückgeben will und der Andere das nicht akzeptieren will, dann ist das schon etwas wert. Wenn Sie wissen was ich meine.

© Gerald Fleischhacker, Zusammen schreibt man immer alleine!
Von der Arbeit im Humorkollektiv
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In: Oesterreichisches Kabarettarchiv online, 2021.

Foto: © Felicitas Matern

Gerald Fleischhacker (* 1971 in Graz) ist Kabarettist, Autor und Moderator. Als Radiomoderator war er u.a. für Antenne Steiermark, Radio Wien und Ö3 tätig, als Autor und Konzeptionist arbeitet er für den ORF, Servus TV und PULS 4. Seit 2010 stand Gerald Fleischhacker mit vier Solo-Kabarettprogrammen auf der Bühne (aktuell: „Am Sand“), war in unzähligen Fernsehsendungen zu Gast und präsentiert zurzeit selbst die Kabarettformate „Die Tafelrunde“ und „Schluss mit lustig …!“ (beide ORF).
2016 wurde er gemeinsam mit Mike Bernard, Rudi Roubinek und Klaus Oppitz mit der Romy für die beste Programmidee („Bist Du Deppert!“ PULS 4) ausgezeichnet.

Veröffentlicht am: 5. März 2021