DIDI SOMMER

 

Der Experte: Kunst und Technik bei Klaus Eckel

 

Der Backstageraum. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2020. Dies sind die Abenteuer des Traumduos Eckel/Sommer, das mit seiner zwei Mann starken Besatzung seit sieben Jahren unterwegs ist, um neue Bühnen zu erkunden, neue Leute zu begeistern und neue Bundesländer zu erleben. Viele Kilometer von Zuhause entfernt, dringt das Duo in Welten vor, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

Rückblende, Sommer 2013: Erster Kontakt mit Klaus Eckel im Kabarett Niedermair, nach einem Einsatz der Mannschaft der „Langen Nacht des Kabaretts 2012“. Die Bord-Crew bestand aus Wolfgang Feistritzer vulgo Petutschnig Hons, dem Duo BlöZinger (Robert Blöchl und Roland Penzinger), dem aufstrebenden Jungkadetten Paul Pizzera und mir, Didi Sommer.

Klaus Eckel sitzt an der Bar und erklärt, sich einen Techniker leisten zu wollen, weil er es leid sei, jedes Mal selbst zu jedem Auftritt die gesamte Ausrüstung anzuschleppen, aufzubauen und dem/der Haustechniker*in den Ablauf zu erklären – falls es denn überhaupt jemanden in der Funktion vor Ort gibt. Er erzählt mir „Highlights“ aus seinem bisherigen Tour-Leben, die mir so noch nicht passiert sind und hoffentlich auch nie passieren werden. Eine Geschichte unter vielen aus den unendlichen Weiten: Die Bühnenbeleuchtung besteht aus einem Baustrahler – Blacks, also „Licht aus“, ist nur durch Ziehen des Stromsteckers möglich. Damit nicht genug: Auf die Frage nach einem CD-Player für die Zuspielungen zeigt man Klaus ein Radio – mit integriertem CD-Fach. Als er nachfragt, wo denn die Anlage, also die Tonanlage zum Anschließen des Radios wäre, hört er nur: „Tonanlage gibt’s net…“. Der Veranstalter übernahm dann später während des Auftritts das Radiogerät und drückte, auf der Bühnenkante sitzend, auf Stichwort die Play-Taste.

Um Solches zukünftig zu verhindern, sollte nun ein Techniker her. Ich bot ihm meine Dienste an. Schließlich hatte ich die Sternenflottenakademie, die Höhere Technische Bundeslehranstalt Linz 1, Goethestraße, Abteilung Hochbau absolviert und nicht umsonst fünf Jahre mit Statik, Stahlbetonbau und Deutsch gekämpft – trotz gegenteiliger Überzeugung der HTL Linz 1 bezüglich meiner persönlichen Eignung. Die großherzige Unterstützung eines Freundes half mir ungemein, diesen Kampf zu gewinnen. (Helmut, an diese Stelle mein Dank an Dich!)

Ich bestand also die Matura schon beim zweiten Anlauf und brach zum Kunststudium nach Wien auf. In meiner Abschlussarbeit visualisierte ich eine Textperformance auf einer umgebauten und unbemannten Bühne. Sozusagen der erste Probeflug. Dabei blieb es aber vorerst: Nun war ich zwar vom Staate anerkannter fertigstudierter Künstler, aber doch wieder technisch tätig und ich stand für sieben Jahre in der Generali Foundation, der Kunstsammlung der Generali Versicherung, als audio-visueller Medientechniker an vorderster Front. Dort sammelte ich Erfahrung im Umgang mit Technik, Künstler*innen und Chef*innen aus den 60ern bis in die 00er Jahre. Dazwischen entdeckte ich den Poetry Slam – oder er mich.

Endlich konnte ich wieder auf die Bühne. Zwar immer wieder nur für fünf Minuten, aber immerhin. Ich führte mich auf Bühnen in Österreich und Germanien auf, in Mundart, meiner Mundart, meiner oberösterreichisch-mühlviertlerischen Mundart. In Deutschland hatte das Publikum Schwierigkeiten. Ich wollte mein Geschriebenes nicht „eindeutschen“, denn die meisten meiner Texte funktionieren nur im Dialekt. Nicht einmal in München verstand man mich. Noch immer sind deutsche Bühnen nichts für den Sommer …

Aber wieder zurück ins Jahr 2013: Einige Zeit war seit unserem Niedermair-Bar-Treffen vergangen, als Klaus tatsächlich anrief und fragte, ob ich mit ihm auf Tour gehen wolle. Wir trafen uns und so entstand unsere „Eingetragene Kabarettisten-Techniker-Einheit“.

Was gehört jetzt zur Techniker-Seite dieser Zweisamkeit? Zuerst muss ich klarstellen, dass ich mich nicht als Ton- und Lichttechniker sehe, weil ich keine entsprechende Ausbildung habe. Auch beinhaltet mein Teil des Bündnisses, dass ich mich um weitere Bereiche kümmere. Also nicht nur Mikro und Keyboard aufbauen, Monitor und Stuhl positionieren und dann beim Soundcheck aussteuern, damit mein Partner Klaus auch möglichst überall im Saal zu verstehen ist.

Zur Vorbereitung eines Auftritts gehört zusätzlich, den/die jeweilige/n Techniker*in vor Ort zu kontaktieren, etwaige Fragen zu klären sowie den Zeitplan für unser Eintreffen und den Soundcheck zu verabreden. Danach mit Klaus unseren Abfahrtszeitpunkt und Treffpunkt besprechen, das Equipment kontrollieren, alles zusammen- und einpacken. Schließlich, falls wir im Spielort übernachten, noch im Hotel anrufen, um Parkplatzsituation, Schlüsselsafe für den Late Check-in, den Late Check-out für den nächsten Tag und Allfälliges abzuklären.

Vor Ort ist das mit der Technik manchmal nicht so einfach, weil die Physik mir trotz meiner Sternenflottenausbildung Grenzen setzt. In manchen Mehrzweckhallen oder Turnsälen machen die Reflexionen von blankem Glas und nacktem Stahlbeton den sich ausbreitenden gesprochenen Worten schwer zu schaffen. Dazu kommt noch die ungeheure Wuchteldichte und die hohe Sprachgeschwindigkeit, mit der Klaus seine Programme in den Saal wirft. Teilweise kommt das Publikum mit Zuhören und Lachen kaum nach. Als Pointenfeuerwerk beschreibt die Presse häufig seine Kunst, ich kann nur beipflichten. Doch dieser ständige Lachteppich erschwert natürlich das Hören.

Zu Beginn der Veranstaltung drehe ich meine Runden durchs Publikum, um mich zu vergewissern, dass Klaus auch überall gut zu verstehen ist. Es ist wirklich erstaunlich, wie in manchen Sälen die Akustik variiert, wenn man steht oder sitzt. Deswegen lausche ich immer in Sitzhöhe und hab ein Tablet mit, damit ich nötigenfalls partiell lauter oder leiser drehen oder die verschiedenen Tonfrequenzen anpassen kann, um Klaus verständlicher zu machen. Denn beim Soundcheck ohne Publikum klingt es immer anders als beim Live-Auftritt. Meist ist es im leeren Saal natürlich halliger, im gefüllten werden dann die Reflexionen durch die Menschen absorbiert, wodurch sich aber auch die Lautstärke verringert. (Und ich fühle mich dann ein wenig wie Scotty oder Chekov aus Raumschiff Enterprise – die erste und originale Serie aus den 60ern und auch die originellste!!!)

Falls es wirklich zu Komplikationen kommt, sei es, dass bei Klaus das Mikro nicht richtig am Ohr sitzt, ein Lüfter der Klimaanlage brummt, sich das Hallenradio einschaltet, die Schichtglocke um 22 Uhr läutet, weil sie dafür programmiert und vom Haustechniker für diesen Abend nicht deaktiviert wurde oder jemand in Ohnmacht fällt, kann ich mit Klaus direkt über seinen Bühnen-Monitor – das ist der Kontroll-Lautsprecher, der bei ihm auf der Bühne steht und über den er selbst sein Keyboard und die eigene Stimme hört – kommunizieren.

Das Gute, aber auch ein wenig Komische daran ist, dass nur er und maximal ein paar Leute aus den ersten Reihen mitbekommen, wenn ich ihm etwas mitteile, er aber dann laut und für alle verständlich über die Saalanlage zurückspricht. Dank unserer Spontanität wirkt das Ganze dann meistens für das Publikum lustig und viele glauben, es wäre Teil des Programms.

Damit aber nicht genug: Klaus und ich sind viel unterwegs. Bei unseren unterhaltsamen und informativen Reisen als „eingetragene Einheit“ hören wir Podcasts, vorgelesene Beiträge aus der „Zeit“ oder einfach nur Hörbücher, um die Reisezeit gleichzeitig zu verkürzen und möglichst sinnvoll zu nutzen. Während der Fahrt tippt Klaus oft Ideen in den Laptop, die er aus- und überarbeitet, er zerpflückt und baut neu zusammen, er lässt seine Gedanken fließen, verwirft das Ganze oder zerreißt Manches wieder, um es anders zusammenzukleben und mit der gewohnten Pointendichte in seine Programme einfließen zu lassen. Ich sitze hinterm Lenkrad und denke mir häufig, dass ich gern eine kleine Portion von seiner Arbeitsmoral hätte. Das bringt mich dann in die entgegengesetzte Richtung: Was macht der Kabarettist Klaus mit dem Techniker Didi, der ja eigentlich auch Kabarettist ist? Und was macht der Techniker Didi, wenn er jetzt als Kabarettist Didi auf der Bühne steht?

Wie Klausʼ Programme mein eigenes Bühnenleben beeinflussen, kann ich nicht genau sagen. Sicherlich bin ich unbewusst von der jeder Satz eine Pointe-Denkweise geprägt, obwohl mein aktuelles Programm Aufschneidn sehr entschleunigt ist, quasi fast das Gegenteil davon darstellt. Als kurze Einstimmung:

Zu Beginn sitzt meine Bühnenfigur, der Pirklbauer Willi, an einem Tisch, schneidet Speck und Brot, isst und genießt, betrachtet sein Publikum und köpft dann eine Flasche Bier, die er in einem Zug leert, ohne dabei ein einziges Wort zu verlieren. Auch Willis Art zu erzählen ist sehr komplementär zu der Sprechgeschwindigkeit von Klaus. Fliegt er mit Warp 7, dann ist es bei mir eher der Impulsantrieb. Das Publikum hört Willi, seinen Geschichten und bauernschlauen Weisheiten gern zu und fragt sich vermutlich manchmal: „Hat der Willi das jetzt wirklich gesagt? Nein, das hat er nicht! Doch, das hat er gerade gesagt!“ Ich bin trotzdem, da wirkt vielleicht Klaus auf mich, immer verleitet, nach einer Pointe zu suchen, auch, wenn das eigentlich nicht unbedingt nötig wäre – weil es ja eine Geschichte ist, die ich oder der Willi, oder wir beide, erzählen.

Bei meinem ersten Bühnenprogramm, das ich nicht als Kabarett im klassischen Sinn bezeichnen würde und darum immer als Lach- und lesehafte Kleinkunst beschrieben habe, arbeitete ich noch mit sehr vielen Lichtwechseln, Spezialeffekten, einer Nebelmaschine, einer Diskokugel und noch einigem mehr. Das war natürlich mit viel Aufwand im Vorfeld verbunden und eine Erfahrung, die ich machen wollte, um jetzt zu wissen: zu viele Requisiten sind nicht gut fürs Kabarett. Also habe ich gelernt, alles so einfach wie möglich zu halten, mich der Bühnensituation vor Ort anzupassen und mit der vorhandenen Technik und dem/der vorhandenen Techniker*in mein Programm bestmöglich zu spielen. Mit menschlichen Fehlern lernt man schließlich zu leben: Wenn der/die Techniker*in z. B. auf das Ausblenden vergisst, fordere ich selbst ein Black ein. Das ist meist lustig und macht den Abend dann auch besonders, für das Publikum und für mich.

Ein einziges Mal haben Klaus und ich die Rollen getauscht. Bei der Vor-Vorpremiere von Aufschneidn standen Herr Eckel hinter dem Technikpult und Didi Sommer auf der Bühne. Das war sehr speziell, aber lustig – für uns und fürs Publikum. Klaus sind Fehler passiert, die wir durch jahrelanges Üben, wenn ich selbige eine Zeit lang fast täglich bei seinen Programmen gemacht habe, als Team gekonnt und mit Spaß an der Freude überspielt haben, weil wir uns auf spontaner Ebene kongenial ergänzen. Das spürt auch das Publikum und unsere Auftritte werden so zu sehr einzigartigen Events.

Einzigartig, wie unsere Freundschaft.

© Didi Sommer, Der Experte: Kunst und Technik bei Klaus Eckel.
In: Oesterreichisches Kabarettarchiv online, 2021.

Foto: © Volker Weihbold

Dietmar „Didi“ Sommer (* 1975, Steyr) ist Kabarettist, Schauspieler, Poetry-Slammer, (Dialekt-) Autor und Grafiker. 2003–2015 auf Poetry-Slams unterwegs, 2005–2010 Auftritte am Theater Forum Schwechat. 2005–2010 Leiter der monatlichen Schreibwerkstatt der Straßenzeitung „Augustin“. 2012 Gewinner des Publikumspreises beim Grazer Kleinkunstvogel. 2012–2014 Mitglied des Ensembles „Die Langen Nacht des Kabaretts“, wieder seit 2019. Sein zweites Programm Aufschneidn wurde 2019 in Passau mit dem „Silbernen Scharfrichterbeil“ ausgezeichnet. Seit 2013 ist er viel mit dem Kabarettisten Klaus Eckel auf Trab.

Veröffentlicht am: 5. März 2021